In der Zeit nach dem Fall der Späteren Han-Dynastie (25-220) begannen zahlreiche
Geschichtsschreiber das auf kaiserlichen Auftrag hin kompilierte offizielle Geschichtswerk der
Dynastie das Dongguan Han ji zu überarbeiten und zu kürzen. Innerhalb von ca. 200 Jahren
entstand auf diese Weise ein rundes Dutzend Werke die allesamt aus denselben Quellen schöpften
die Geschichte jedoch jeweils ein wenig anders erzählten. Bis heute überdauert haben davon nur
zwei Fan Yes (398-446) Hou Han shu und Yuan Hongs (330-378) Hou Han ji . Diese sind jedoch
weit davon entfernt gleichberechtigt nebeneinanderzustehen. Während das Hou Han shu in den
Kreis der 24 Dynastiegeschichten aufgenommen wurde und seit langem die wichtigste Quelle für
die Spätere Han-Dynastie darstellt verschwand das Hou Han ji nahezu vollkommen in seinem
Schatten und wurde häufig als eine Art Kurzversion des eigentlichen Geschichtswerks abgetan.
Sebastian Eicher zeigt in seiner Studie auf der Grundlage von Vergleichen der Darstellung
wichtiger Ereignisse und Figuren in den beiden Werken und in den fragmentarisch erhaltenen
Vorgängerversionen dass in vielen Fällen eine alternative Darstellung und Interpretation der
Ereignisse unberücksichtigt blieb und dass die Lektüre des Hou Han ji wertvolle Einblicke in
die Arbeitsweise mittelalterlicher chinesischer Geschichtsschreiber liefern kann. Denn auch
wenn beide Autoren aus derselben Materialbasis schöpften so stellten sie doch nicht immer
dieselben Fragen an die Geschichte und wählten nach anderen Kriterien aus: Das Ergebnis sind
zwei durchaus unterschiedliche Darstellungen der Späteren Han-Dynastie.