Die autonome Kunst der Moderne setzte auf Differenzerfahrung: das Kunstwerk als das Andere
Außeralltägliche das verwirrt aufrüttelt und bestenfalls zu Korrekturen am Entwurf von Selbst
und Gesellschaft anregt. Doch in den letzten Jahren haben neue Formen des Umgangs mit Kunst
international an Dominanz gewonnen: Viele Betrachter erwarten Verbindendes und
Gemeinschaftsbildendes. Sie wünschen sich Bestärkung und Unterstützung kurz: Identifikation
und Empowerment. Immer häufiger verknüpft sich Kunst mit politischen aktivistischen und auch
konsumistischen Anliegen. Wird die Kunst so zum bloßen Energieriegel für den leichten Verzehr
zwischendurch - oder doch zur Wegbereiterin einer gerechteren Gesellschaft? Und wer verteidigt
noch die Autonomie der Kunst? Wolfgang Ullrich schärft das post-autonome Profil und führt die
historisch vielleicht gar nicht so neue Kunst an die Triggerpunkte des gesellschaftlichen
Diskurses: Debatten um die Documenta und kulturelle Aneignung den Protest der Letzten
Generation und die Sozialen Medien im Spannungsfeld von Bekenntnisdrang und Polarisierung.