Kultureller Kannibalismus - als Metapher für die Einverleibung undTransformation des Anderen -
gilt insbesondere im Brasilien des 20.Jahrhunderts als poetologisches und kulturtheoretisches
Paradigma.Die im Modernismus der 1920er Jahre proklamierte Bewegung derAnthropophagie
zelebriert das Verschlingen europäischer Kulturformenals Medium des Widerstands sowie einer
eigenen Identität.Der 'böse Wilde' der aufsässige Menschenfresser wird zum Symbolfür
Transkulturation schlechthin. Als Modell kultureller Aneignunghält die Anthropophagie unter dem
Schlagwort eines 'kannibalischenÜbersetzens' Einzug in den translationswissenschaftlichen
Diskurs.Die Fragen denen die vorliegende Studie nachgeht sind folgende: Inwiefernlässt sich
das Lesen und Übersetzen des Anderen als Akt desVerschlingens denken? Steht die kannibalische
Metaphorik aufgrundder ihr inhärenten Gewalt nicht stets im Zeichen des Verlusts - desEigenen
wie des Fremden? Welche Möglichkeiten aber auch welcheProbleme birgt der Begriff eines
kannibalischen Übersetzens? Undlässt sich die Aporie in die Kannibalismus letzten Endes mündet
mithilfeder Dimension des indigenen Denkens auflösen?