In »Wildfeuer« bleibt Clara Viebig nicht bei den engen Grenzen eines Trivialromans und einer
nationalistischen Grundhaltung. Sie sprengt sie indem sie auf den zweiten Blick gerade die
slawische Protagonistin ungleich differenzierter zeichnet als ihr deutsches Pendant. Während
Annie ein erwartbares wenig ereignisreiches und immobiles Dasein auf dem Lande führt schöpft
Bronislawa im Guten wie im Schlechten aus der Fülle des Lebens lernt Südeuropa und damit die
große weite Welt kennen. Zwar wachsen beide Mädchen ohne Mutter auf aber dieses
Aschenputtel-Motiv gestaltet Clara Viebig bei beiden gänzlich unterschiedlich aus. Die Spiel-
und die Trunksucht ihres Vaters der frühe Verlust ihres Geliebten und die Härte der
Verhältnisse lassen Bronislawa zu einer starken und selbstbewussten Frau reifen während Annie
keine solch facettenreiche Entwicklung durchmacht sondern zum Anhängsel ihres künftigen
Ehemanns wird. Am Ende scheitert Bronislawa zwar an ihrem Schicksal Annie aber tritt in ein
ereignisloses Eheleben ohne Höhen und Tiefen ein. Der Leser mag entscheiden was
erstrebenswerter sei.