Die Welt sollte nie mehr dieselbe sein – auch die Welt der Musik nicht. Die Jahre des Ersten
Weltkriegs erschütterten nicht nur politische sondern auch kulturelle Grundfesten. „Aber wie
kann man die Erfahrung und die künstlerischen Auswirkungen dieses Krieges in einem Liederzyklus
darstellen?“ Diese Frage stellte sich der englische Tenor Ian Bostridge der in seinen
Programmen das Konzept „Vokalrecital“ immer wieder neu definierte. Die Antwort liefert er nun
an der Seite von Antonio Pappano mit dem Album Requiem – The Pity of War. Die Kugeln auf den
Schlachtfeldern kosteten auch hoffnungsvollen Nachwuchskomponisten das Leben: So Rudi Stephan
der 1915 fiel als einer der bedeutendsten deutschen Tonsetzer seiner Zeit galt und bis zum
Kriegseinsatz neben einer Fülle an Orchesterwerken einer Oper und Klaviermusik vor allem
Lieder komponiert hatte – zum Beispiel den von subtiler Erotik durchsetzten Zyklus Ich will dir
singen ein Hohelied. Sein englischer Kollege George Butterworth war ebenfalls eine der größten
Hoffnungen seiner Generation. Ein Scharfschütze beendete das Leben des Komponisten an der Somme
1916. Dass die großen militärischen Katastrophen dieser Zeit wie ein feines seismographisches
Zittern schon in früher entstandenen Werken anklingen zeigen die Wunderhorn-Lieder von Gustav
Mahler mit ihren vielfältigen Anklängen an die Militärmusik wo hinter scheinbaren
Romantik-Zitaten das Zerrbild großer Zukunftsängste zutage tritt. Auch Kurt Weills Lieder nach
Gedichten von Walt Whitman besitzen diesen janusköpfigen Charakter und blicken in Zukunft
Vergangenheit und Gegenwart zugleich. Die Gesänge entstanden in den letzten Jahren des Zweiten
Weltkrieges.