Der Pianist und Dirigent André Previn einer der wenigen Künstler die sowohl im Klassik- als
auch im Jazzlager anerkannt sind erzählt im Booklet einer seiner CDs von der "verhassten
Erfindung des Crossover" eine Idee der Marektingabteilung von Plattenfirmen und von einem
anerkannten klassischen Pianisten der in einem Interview sagte er habe noch nie Jazz gespielt
aber im nächsten Jahr wolle er es machen. Previn dessen Klavierspiel beispielsweise auf den
beiden Song-CDs mit Sylvia McNair wirklich "groovt" weiß wovon er spricht. Fazil Say der
sich mit seiner neuen Gershwin-CD wahrlich weit vom Boden seiner künstlerischen Heimat entfernt
hat weiß es wohl nicht wenn er im Booklet-Interview selbstbewusst über sich und die anderen
Solisten verkündet: "Wir sind ja alle klassische Musiker. Bei dem Talent der Musiker war es
aber nicht schwierig die Schwelle zum Jazz zu überschreiten." Hätte er das nicht gesagt
könnte man seine CD vielleicht mit etwas Wohlwollen als passable Tanzmusik akzeptieren. Aber
Jazz ist es keinesfalls. In den vier selbstgemachten Song-Arrangments die die CD eröffnen
bedient sich Fazil Say weitgehend eines Swing- oder Stride-Piano-Stils der Zwanziger Jahre
weil das am unverfänglichsten ist denn damals konnten die Jazzer auch noch nicht so swingen
wie später. Dennoch genügen nur wenige Takte einer historischen Aufnahme von Earl Hines oder
Benny Carter um den Unterschied hörbar zu machen. Die balladenartige Klavierintroduktion zu
"Summertime I" ist eben doch keine Ballade sondern ein mit eigenartigen Harmonien und
klassischen Elementen die jedem Jazzer Schauer über den Rücken jagen versetztes
Fantasieprodukt und das beeindruckend virtuose rhythmische Pattern im Klavier das bei
"Summertime II" eine Art Samba-Rhythmus bewirken soll ist auf Dauer eintönig weil Timing und
Phrasierung nicht stimmen. Selbst der beim Improvisieren an Einfallsarmut leidende Friedrich
Gulda hatte ein besseres Händchen für das richtige Jazz-Feeling. Auf der vorliegenden CD
jedenfalls hat der Schlagzeuger James Sapporito offenbar der einzige richtige Jazzer alle
Hände voll zu tun um das Ganze einigermaßen zum Laufen zu bringen. Auch die populäre
"Rhapsody in Blue" ist bei Kurt Masur und dem New York Philharmonic nicht in guten Händen: Das
Stück entwickelt in dieser Interpretation kein Leben die einzelnen Phrasen stehen unverbunden
und sinnarm nebeneinander. Hier greife man eher auf eine Einspielung von Leonard Bernstein oder
André Previn zurück. Für wirklich interessanten einfallsreichen "weißen" Klavierjazz sei
außerdem Martial Solal empfohlen. --Michael Wersin