Er liebte die Tiere mehr als alles andere. Als die Mutter starb holte er sich die Wärme beim
Hofhund. Sein Traum war es Tierarzt zu werden. Hans M. wurde Metzger einer bis ins Mark. Noch
heute hört er den Kanonendonner den der erste Weltkrieg vom Elsass bis ins Emmental trug. Und
er erinnert sich an trommelnde Sozialisten die kurz vor dem Landesstreik mit roten Fahnen am
Miststock vorbeimarschierten. Der Bergbauernbub entging knapp einem Schicksal als Verdingkind.
Und knapp entging er der Verzweiflung des Vaters. Das harte Leben im Krachen stählte seinen
Willen. Er wollte vor allem eines: weg aus dem Tal. Weg vom Schinden Hungern und Frieren. Eine
Metzgerlehre war seine grosse Chance. So beginnt ein Leben das ein steinalter Mann erzählt
mit unheimlicher Präzision und grosser Erzählkraft. Schonung ist nicht seine Sache damals
nicht und heute nicht. Mächtigen Herren im Land Generalssöhnen die bei Truppenverschiebungen
die Packesel vergessen oder schwerreichen Zürcher Grossmetzgern die Verbandsfunktionäre
bestechen bietet er die Stirn. Hans kämpft in Solothurn wie ein Stier wenn es darum geht
«die Gerechtigkeiten» durchzusetzen. Obwohl er immer zu den Kleinen gehörte. Im Schlachthaus
legt er Hand an für zwei. Die Hinterviertel die er schleppt sind doppelt so schwer wie er.
Nur etwas macht ihn schwach: wenn Tiere leiden. «Fleisch und Blut» bricht das 20. Jahrhundert
wie ein Prisma und erzählt es wie ein Roman. Susanna Schwager stieg mit ihrem Grossvater in die
Vergangenheit fragte und stellte in Frage. Aus seinen glasklaren Erinnerungen fügte sie eine
handfeste manchmal drastische Geschichte voller poetischer Details.