Hinter dem Ladentisch steht nicht nur Martha Artho die Detaillistin. Dort steht auch Martha
junior geboren 1941. Auf der zweiten Stufe der Treppenleiter verfolgt sie die
Verkaufsgespräche die keinesfalls unterbrochen werden dürfen. Das gewissenhafte Mädchen wächst
zwischen Mutters Kolonialwarenladen und der Vatikanischen Botschaft in Bern auf. Der
apostolische Garten ist ihr Paradies. Gepflegt wird er vom Gärtner-Chauffeur der Nuntiatur
ihrem Vater.Die kleine Martha registriert was andere übersehen. Sie stellt kritische Fragen
und deckt Ungereimtheiten auf. An den kirchlichen Verkündigungen und gesellschaftlichen
Schranken die Frauen auf den zweiten Platz verweisen zweifelt sie früh. «Das meinst du nur»
heisst es oft wenn sie über ihre Wahrnehmungen spricht. Während die Diplomaten und ihre
strebsamen Sekretäre im Vatikan Karriere machen zieht die Detaillistin ihre drei
schulpflichtigen Töchter nach dem frühen Tod des Vaters alleine gross. Mit ihrem kleinen
Lebensmittelladen und ganz ohne kirchliche Rente. Die (Emanzipations-)Geschichte spielt sich
vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der
Vierziger- und Fünfzigerjahre ab. Sie zeigt den Alltag einer Familie des unteren Mittelstandes
und die religiöse Prägung beispielhaft auf und wird so zum Zeitzeugnis.