Die Schockwellen des Landesstreiks von 1918 waren bis in die 1960er-Jahre spürbar. Er prägte
die politische Kultur der Schweiz während der Zwischenkriegszeit der Zeit des Zweiten
Weltkriegs und der frühen Nachkriegszeit entscheidend mit. War die klassenkämpferische
Konfrontation dem Bürgertum ein «Schandfleck» galt sie im Lager der Streikenden als
«Ruhmesblatt». Bereits mit dem Beginn des Streiks war in Presse und Politik ein heftig
geführter Aushandlungsprozess um die Deutung des Ereignisses entbrannt. Die politischen Gräben
die durch die Ereignisse vertieft wurden bildeten sich rasch auch erzählerisch ab. War der
Landesstreik für die politische Linke eine gerechte und legale Form des sozialen Protests
sahen zahlreiche Vertreter der bürgerlichen Parteien darin einen bolschewistischen
Umsturzversuch. Als Erzählund Deutungsgemeinschaften etablierten die zerstrittenen politischen
Lager ein eigenes dominantes Narrativ zum Landesstreik das sie in der Folge als
Erinnerungsgemeinschaften jahrzehntelang kultivierten tradierten und instrumentalisierten. Der
Autor fragt insbesondere nach der öffentlich-medialen Rezeption des Landesstreiks durch die
Deutungseliten der beteiligten Akteursgruppen.