Im Verlaufe der 1960er und 1970er Jahre haben zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer die
Dritte Welt entdeckt und zum Gegenstand ihres Interesses und ihres politischen Engagements
gemacht. Breit verankert sowohl in reformkirchlichen als auch in studentischen Kreisen haben
die Aktivistinnen und Aktivisten in den Organisationen der Solidaritätsbewegung gemeinsam auf
eine individuelle soziale und wirtschaftliche Erneuerung hingearbeitet. Im Bewusstsein dass
die Unterentwicklung des Südens ihr Gegenstück in der Überentwicklung des Nordens hatte
bildete die Herstellung globaler Gerechtigkeit das Ziel dieser Bewegung. Bewusstseinsbildung
und Aufklärung der eigenen Gesellschaft durch die Erzeugung von Betroffenheitsgefühlen wurden
als Mittel dazu eingesetzt. Anhand der umfangreichen Textproduktion und anhand der Aktionen der
Solidaritätsbewegung zeichnet die Autorin eine Diskursgeschichte des deutschschweizerischen
Tiersmondismus nach. Den Tiersmondistinnen und Tiersmondisten gelangen damit politische und
symbolische Erfolge. Der Arbeitsgruppe Dritte Welt Bern etwa gelang es im Nestlé-Prozess den
weltweit tätigen Konzern in Argumentationsnöte zu bringen und den entwicklungspolitischen
Anliegen breite Resonanz zu verschaffen.