Der Apostel Paulus ist aktueller denn je. Einige der wichtigsten Philosophen der Gegenwart
darunter Giorgio Agamben und Slavoj Zizek haben ihm Monographien gewidmet Alain Badiou war
der Erste der in ihm ein Gegenmodell zum politischen und geistigen Neoliberalismus unserer
Zeit entdeckt hat. Als Prototyp eines Denkens des Ereignisses stellt Paulus für Badiou einen
entscheidenden Zeugen seiner Philosophie dar. Das Ereignis von dem Paulus erschüttert wird
ist die Kreuzigung und die Auferstehung Christi. Ausgehend von dieser kommt Paulus zu einem
revolutionär neuen Konzept von Subjektivität und sozialer Gemeinschaft. Während das Individuum
genau definierte Eigenschaften besitzt die es ideologisch auf das festschreiben was immer
schon ist zeichnet sich das neue christliche Subjekt durch seine Eigenschaftslosigkeit aus. Es
hat in der Bekehrung einen Prozess der Entleerung durchgemacht und steht vor einem
voraussetzungslosen neuen Anfang ist offen für eine neue noch nicht vorhandene Identität und
genau darin liegt für Badiou der Kern der Subjektivität: Subjekt sein bedeutet sich von einem
Ereignis erschüttern zu lassen und ihm dann die Treue zu halten. Dies macht auch die
Radikalität des paulinischen Gemeinschaftskonzepts aus: Die neue christliche Gemeinschaft
beruht weder auf gemeinsamen Werten oder Regeln noch auf gemeinsamer Abstammung sondern
allein auf dem Bekenntnis zum ursprünglichen Christusereignis. Paulus wendet sich damit gegen
die Ausschließungsmechanismen der griechischen Polis und des jüdischen Gottesstaates und wird
für Badiou zum Begründer des Universalismus.