«Seine Texte sind seien wir ehrlich Literatur. Das ist der Grund warum sie vom ersten Tag an
so geliebt wurden von den Lesern und so gehasst wurden - von den Kunsthistorikern.» Florian
Illies Obwohl Meier-Graefe - entgegen weitverbreiteter Ansicht - nie Kunstgeschichte studiert
hatte erreichte er eine größere Leserschaft als alle anderen deutschen Autoren die im 20.
Jahrhundert über Kunst schrieben. Von Beginn an galt er als das «enfant terrible» der
Kunstpublizistik - immer im Zentrum immer polarisierend immer umstritten. Wo er auftrat
hatte kein salbungsvoller Weiheton Bestand. Mit einer saloppen Nebenbemerkung konnte er
staatstragende Glaubenssätze der Lächerlichkeit preisgeben. Als geborener Polemiker hatte er
auch vor Selbstwidersprüchen keine Scheu - so sie nur in brillanten Formulierungen daherkamen
und zu seinem schillernden Gesamtbild beitrugen. Den Grundstein seines Ruhmes legte er 1904 mit
der 3-bändigen «Entwickungsgeschichte der modernen Kunst» die im Untertitel einen «Beitrag zu
einer neuen Ästhetik» verhieß und «vergleichende Betrachtungen der Bildenden Künste» zur
Methode erhob. Bei seinen Vergleichen griff Meier-Graefe von Beginn an programmatisch über die
Grenzen Deutschlands hinaus da ihm die heimatliche Kunst als muffig und zurückgeblieben
erschien. Die Feindschaft aller Nationalkonservativen war ihm seitdem sicher zumal
Meier-Graefe sich mit provozierender Leichtigkeit und einem Neid erregenden Kenntnisreichtum in
der gesamten europäischen Kulturtradition bewegte. Nachdem er Böcklin und Menzel - die beiden
Heroen der neueren deutschen Kunst - 1905 in einer Studie virtuos demontiert hatte legte er
Monographien zu Corot Manet Renoir oder Vincent van Gogh vor. Aber auch «Die großen
Engländer» waren ihm eine Publikation wert - ganz zu schweigen von seiner Entdeckung El Grecos
und der grundlegenden 3-bändigen Arbeit zu Hans von Marées. Daneben bediente er sich des
gesamten Spektrums publizistischer Formen: des Essays der mit subjektiver Gründlichkeit
zwischen den gängigen Spielarten des Scheins eine Wahrheit suchte der streitbaren
Ausstellungskritik die gern auch der Satire ihre Reverenz erwies der anekdotischen Novelle
die mit Insider-Kenntnissen über Menschlich-Allzumenschliches aus den Kulissen und Wandelgängen
des Kunstbetriebs erzählte. Diese Texte galten jedoch als Tagesware. Nichts wäre falscher als
dies: Denn kann ein wirklicher «homme de lettres» beim Schreiben einfach einen Gang
zurückschalten nur weil es sich vielleicht um einen kürzeren Text handelte? Im Gegenteil:
Gerade dann stach ihn der Hafer. Im Tagesgefecht kam sein Temperament spontaner und intensiver
zum Ausdruck als dies bei Langstreckenschreiberei der Fall sein mochte wo zudem noch den
Akademikern die Stirn geboten werden musste. Dennoch sind Meier-Graefes Feuilletontexte bis
heute nur mit wenigen Ausnahmen wieder gedruckt worden. Der vor liegende Band will dies ändern
und einen der wortmächtigsten und streitbarsten Geister der deutschen Essayistik von einer
unbekannten Seite zeigen. Denn Meier-Graefe schrieb ungemein intelligent geistvoll und amüsant
- vor allem aber immer gegen jede Erwartung.