M. Thurner erschließt in seiner Studie das Denken des Nicolaus Cusanus als den Versuch die
christliche Glaubenserfahrung Gottes als des offenbaren Geheimnisses philosophisch zu
vermitteln. In vier Schritten erweist sich die Offenbarungsthematik dabei als universaler
Interpretationsschlüssel für das cusanische Denken: Die innere Widersprüchlichkeit der
Glaubenserfahrung eines zugleich verborgenen wie offenbaren Gottes wird zunächst als jenes
Grundproblem identifiziert zu dessen Lösung das philosophische Denken bei Cusanus ursprünglich
hervorgeht. In ihrer Selbstreflexion entdeckt die Vernunft sodann daß das Suchen und Finden
der Offenbarkeit des im Glauben angenommenen Geheimnisses Gottes ihre ursprüngliche Bestimmung
ist. Das Offenbarungshandeln Gottes wird so als die Mitteilung der Ermöglichungsbedingungen
dafür einsehbar daß die endliche Vernunft dieses ihr unendliches Ziel erreichen kann. Die
extramentale Wirklichkeit das natürliche Erkenntnislicht die biblische Offenbarung mit ihrer
Erfüllung in Jesus Christus und die eschatologische Vollendung lassen sich dann als die
Offenbarkeitsdimensionen des göttlichen Geheimnisses interpretieren. In der trinitarischen
Selbstdefinition des in allem Sein und Erkennen vorausgesetzten Prinzips des Nicht-Anderen
begreift Cusanus schließlich Geheimnis und Offenbarkeit als sich gegenseitig implizierende
Wesensbestimmungen.