Astrit Schmidt-Burkhardt Stammbäume der Kunst Zur Genealogie der Avantgarde 2005. IX 473 S.
202 schwarz-weiße Abbildungen br. ISBN 978-3-05-004066-0 Dieses Buch zerstört eine Legende:
die vom radikalen Traditionsbruch wie sie die Avantgarde des 20. Jahrhunderts von sich
verbreitet hat. Die Akzeptanz dieser Erfindung schien so unumstößlich dass die Denkfigur die
darin festgeschrieben ist bis heute ohne kritischen Einwand blieb. Die Legende von der
avantgardistischen Innovation zu analysieren bedeutet folglich sie zu zerstören. Den Anstoß
dazu gab die Avantgarde selbst mit der Layoutierung ihrer eigenen Vorgeschichte.
Geschichtsdiagramme für die es bislang keinen rechten Begriff geschweige denn ein
bildwissenschaftliches Bewusstsein gab die jedoch das latente Spannungsverhältnis zwischen
Tradition und Erneuerung vermitteln bilden das Ausgangsmaterial für diese Untersuchung.
Gemeint sind Kunststammbäume. Bei dieser Bildgattung handelt es sich um genealogische
Konstruktionen mit denen Künstler wie Historiker unsere Ansicht und unser Urteilsvermögen über
den Verlauf der Kunst nachhaltig prägten. Ihre ikonische Festschreibung von konsekutiven
Epochen und ihre diagrammatische Verortung der Maler und Bildhauer brachten System in den
Ablauf der Geschichte. Anhand von Verzweigungssystemen machten sie den Verlauf der
Entwicklungen anschaulich und setzten zum besseren Verständnis abstrakte Schautafeln und
Graphen ein. Mit dem Kunststammbaum als der übergeordneten Kategorie eines heterogenen
Phänomens ist also einerseits ein historiographischer Ordnungstypus und andererseits ein
Herleitungsmodel in der Art eines Filiationsnachweises gemeint. In den genealogischen
Neuordnungen der Vergangenheit kommt das wechselnde Selbstverständnis der Moderne exemplarisch
zum Ausdruck. Schon aus diesem Grund ist der Kunststammbaum ein bemerkenswertes Symptom für
avanciertes Geschichtsbewusstsein. How has the history of art been made visible and how is it
made visible today? Family trees diagrams tables-this book by Astrit Schmidt-Burkhardt looks
at the subject from the nineteenth century to today. This book also destroys a legend: the
legend of the radical break in tradition that the avantgarde of the twentieth century claimed
for itself. This idea was so widely and unequivocally accepted that the category of thinking
that it encapsulated has remained unchallenged to this day. Art family trees are genealogical
constructions by means of which artists and historians have exerted a lasting influence on the
way we perceive and judge the history of art. Their iconical notation of consecutive epochs and
diagrammatic positioning of artists brought order to the course of history. The use of a system
of branches made it easier to consider complex issues and so enabled new insights. For these
reasons the art genealogy is a remarkable sign of an advanced consciousness of history.