Viele Überlebende der Shoah wollten vor allem eines - Zeugnis ablegen. Schon von dem Moment an
in dem sie die Lager der Nationalsozialisten verließen waren sie erfüllt von dem Wunsch der
Welt von ihren unerhörten Erfahrungen zu berichten. Hiervon wissen wir nicht zuletzt durch die
vielfältigen Zeugnisse die uns mittlerweile von ihnen vorliegen. Doch wenig wissen wir über
die eigentlichen Bedingungen der Erzählungen Überlebender: Welche Möglichkeiten von den
Erfahrungen ihrer Verfolgung Zeugnis abzulegen welche Erzählräume standen ihnen überhaupt zur
Verfügung? Und welchen Einflüssen welchen Begrenzungen unterlag die narrative Gestaltung ihrer
Erinnerungen? Wie waren die Kontexte ihres Erzählens bestellt und wie können wir ihren
Berichten als Leser Zuhörer und Zuschauer gerecht werden? Die vorliegende Studie untersucht
die lange Suche Überlebender nach Zuhörern und konzentriert sich dabei auf zwei der wichtigsten
Zeugnisformen der Nachkriegsgeschichte die hier erstmals aufeinander bezogen werden: Zum einen
geht es um literarische Zeugnisse die von Überlebenden wie Primo Levi Jean Améry Imre
Kertész oder Ruth Klüger in höchst unterschiedlicher Form und Absicht verfasst wurden. Zum
anderen geht es um die relativ neue Form videographierter Interviews mit Überlebenden die man
vor allem im Laufe der neunziger Jahre gesammelt hat und die uns heute vermehrt in Museen und
Unterrichtsräumen begegnet. Anhand von Fallbeispielen werden die Erzählsituationen in beiden
Medien genauestens kontextualisiert und analysiert. Dabei ist der Gedanke leitend dass wir
Überlebenden erst dann richtig zuhören können wenn wir die diskursiven Bedingungen
durchschauen unter denen ihre Zeugnisse entstanden sind. Erst dann wird es möglich jenes
ursprüngliche Dialogangebot anzunehmen das uns die Zeugnisse Überlebender auch heute noch
entgegenbringen.