Die Studie untersucht das Spannungsverhältnis zwischen einer Theorie der Interpretation wie
sie sich in den expliziten Ausführungen der Dialogfiguren findet und der im Medium fingierter
Gespräche inszenierten Praxis der Dichterauslegung. Im ersten Teil wird das von Sokrates
proklamierte Ideal eines philosophischen Interpreten der die Intention des Dichters zu
erschließen und zu vermitteln versteht mit zwei Gegenbildern kontrastiert: dem Sophisten der
unter Vernachlässigung der intentio auctoris die eigene intentio lectoris durchsetzt und dem
Enthusiasten der - seiner Vernunft beraubt - zum göttlichen Sprachrohr wird. Der zweite Teil
zeigt dass es in den Dialogen zwar viele praktische Formen der Dichterauslegung gibt aber
keine die den theoretischen Vorgaben folgt. Mit Rückschlüssen dieses Befunds auf die Theorie
und mit der durch Platons literarisches Selbstverständnis nahegelegten Selbstapplikation der
Interpretationstheorie befasst sich der Schluss der Arbeit.