Erzählen impliziert einen teleologischen Schematismus weil es sich stets zielgerichtet
vollzieht. Bis ins 19. Jh. wurde auch die Wirklichkeit teleologisch aufgefasst. So konnte
beispielsweise Friedrich von Blanckenburg in seinem Versuch über den Roman (1774) die
zweckmäßige Einrichtung des Romans noch durch den Verweis auf die göttliche Wirklichkeit
legitimieren. Die Studie zeigt detailliert wie mit Ludwig Feuerbach und der Darwin-Rezeption
in Deutschland eine ateleologische Wirklichkeitsauffassung popularisiert wurde. Nun geraten das
teleologische Erzählen und die kontingent verstandene Wirklichkeit in ein Spannungsverhältnis.
Wie passte sich die Erzählliteratur des Realismus die Wirklichkeit wiedergeben und verklären
sollte an die nun kontingent aufgefasste Wirklichkeit an? Wie veränderte sich die auf
idealistischen Prämissen beruhende Ästhetik des Realismus? Diese Fragen werden beispielhaft an
Friedrich Theodor Vischers Ästhetik seinem Roman Auch Einer (1879) sowie an Gottfried Kellers
Romanfassungen des Grünen Heinrich (1854 55 u. 1879 80) erörtert. Über das Einzelwerk hinaus
zeichnet sich am Horizont dieser ideengeschichtlichen Untersuchung die epochale Bedeutung des
Teleologieproblems für die Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts ab.