Verschwörungstheorien faszinieren. Schon im 17. Jahrhundert zirkulieren Darstellungen des
vermeintlich omnipotenten Jesuitenordens und seiner globalen Unternehmungen. Die Publizistik
des 18. Jahrhunderts observiert die zahlreichen Arkangesellschaften und fahndet nach dem
geheimen Gang menschlicher Machinationen. Unbekannte Obere sind in den Zeitschriften der
Aufklärung scheinbar omnipräsent sie lenken die schlechten Geschicke oder planen den Umsturz
der bestehenden Ordnung. Zugleich inspirieren konspirationistische Projektionen eine neuartige
von didaktischen und religiösen Zwecken emanzipierte Literatur: Friedrich Schillers
erfolgreicher Fortsetzungsroman Der Geisterseher entdeckt das Faszinationspotential des
mehrfach dimensionierten Scheins und modelliert am Beispiel des von Verschwörern manipulierten
Individuums das brisante Problem von Selbst- und Fremdbestimmung. Goethes Bildungsroman Wilhelm
Meisters Lehrjahre verweist mit dem Textelement der Turmgesellschaft subtil auf Praktiken des
Illuminatenordens und exponiert die geheime Lenkung zu einem zentralen Handlungselement. Karl
Gutzkows 1850 51 veröffentlichter Feuilleton-Roman Die Ritter vom Geiste schildert die
Überwindung von Verschwörungsphantasien und führt zugleich jene Gespenster des Communismus in
die Literatur ein die im Manifest der Kommunistischen Partei von Karl Marx und Friedrich
Engels zwei Jahre zuvor theoretisch behandelt wurden.Die Geschichte konspirationistischer
Vorstellungen ist ein brisantes in seinen Untergründen und Verzweigungen jedoch erst punktuell
erforschtes Kapitel der deutschen und europäischen Kulturgeschichte. Die vorliegende
Untersuchung rekonstruiert erstmals umfassend und auf breiter Materialbasis die interne
Ausgestaltung von Verschwörungsszenarien zwischen 1750 und 1850.