Historische Aufforderungshandlungen sind gute Quellen für die Erforschung der
Höflichkeitsstrategien früherer Epochen. Die Arbeit untersucht an Hand eines Korpus fiktionaler
und non-fiktionaler französischer Texte zunächst die Häufigkeit verschiedener
Formulierungstypen für unterschiedliche Arten von Aufforderungen z.B. Bitten Befehlen Vor-
und Ratschlägen. Neben den unmittelbaren Versprachlichungsstrategien (z.B. der direkten
Aufforderung im Imperativ ferme la porte der konventionell-indirekten Umschreibung pourrais-tu
fermer la porte und anderen) wird auch deren Einbettung in das sprachliche Umfeld
berücksichtigt z.B. die Verwendung von Adverbien wie un peu oder vite sowie die Tatsache dass
Aufforderungen oft durch andere Sprechakte wie etwa Entschuldigungen Schmeicheleien aber
auch Drohungen usw. unterstützt werden. Aus den Veränderungen der Frequenzverhältnisse im Lauf
der Sprachgeschichte ergeben sich Hinweise auf ein Vorherrschen der positive politeness (nach
Brown Levinson 1987) im Mittelalter und eine graduelle Verdrängung durch verschiedene Mittel
der negative politeness seit Beginn der frühen Neuzeit. Dieses Phänomen kann durch allgemeine
geistesgeschichtliche Entwicklungen erklärt werden.