Erfahrung und Geschichte sind eng miteinander verknüpft: Jede neue Erfahrung hat ihre eigene
Geschichte und kann überhaupt nur vor dem Hintergrund historisch gewachsener
Erfahrungsdispositionen auftreten. Und auch die Geschichtsschreibung unterliegt dem Anspruch
ihre retrospektiven Konstruktionen mit den Erfahrungen der historischen Akteure abzugleichen
und sie durch die fortgesetzte Prüfung ihres Empiriegehalts als Rekonstruktionen auszuweisen.
Doch ist der Bezug von Erfahrung und Geschichte in den geschichtstheoretischen Debatten der
letzten Jahre um den literarischen und erzähltheoretischen Ort der Geschichtswissenschaft
unterbelichtet geblieben. Das vorherrschende narrativistische Paradigma hat in eine
Repräsentationskrise geführt wie sie besonders in den Diskussionen um den Status historischer
Wirklichkeit greifbar wurde indem die Referenz des historischen Textes auf die Wirklichkeit
der Vergangenheit in seiner literarischen Konstruktivität aufgehoben wurde. An diese
Ausgangslage anschließend versucht der Band die Verkürzungen dieser Positionen durch konzise
Untersuchungen zum charakteristischen Erfahrungsbezug derjenigen Darstellungen zu korrigieren
die den Anspruch erkennen lassen Vergangenheit zu repräsentieren. Im interdisziplinären
Gespräch zwischen Philosophie und Geschichts- Literatur- und Kulturwissenschaften gehen die
Beiträge der Frage nach in welchem Verhältnis historische Erzählungen zu denjenigen
Erfahrungen stehen die ihre Grundlage bilden und ein genuines Erzählbedürfnis überhaupt erst
anstossen. Was ist der Inhalt oder Gegenstand einer historischen Erfahrung? In welchen Medien
und Praktiken wird sie konserviert und aktualisiert und wie modifiziert sie sich hierdurch? Wie
ist es möglich über die historische Narration hinaus auf die ihr zugrunde liegende Erfahrung
zurückzuschließen? Dabei wird ein neuer Begriff historischer Erfahrung geschärft der die
pränarrativen Dimensionen historischer Sinnbildung erschließt und damit auch eine adäquatere
Bestimmung des Verhältnisses von Geschichte und Erzählung sowie von Individual- und
Kollektivgeschichte - mit ihren entsprechenden Gedächtnis- und Erinnerungsmodalitäten -
ermöglicht.