Die Questione della lingua nimmt viel Raum in der Geistesgeschichte Italiens ein. Im Zentrum
der Auseinandersetzung mit der Sprachnorm steht zweifelsohne das Toskanische das in Gestalt
der archaischen florentinischen Dichtersprache letztendlich über die konkurrierenden Modelle
siegt. Die Arbeit zeichnet den Diskurs um die italienische Hochsprache jedoch aus einer
Randperspektive nach: Sie beleuchtet die Rolle die das Norditalienische in den Reflexionen zur
Norm gespielt hat. Unter Berücksichtigung der Größen Sprachbewusstsein Sprachwissen und
Sprachbewertung wird zu diesem Zweck ein umfangreiches Korpus metasprachlicher Texte aus dem
13. bis 17. Jahrhundert ausgewertet. Die Analyse zeigt dass norditalienische Varietäten in
vielen Zeugnissen beschrieben und bewertet im Falle einiger prestigereicher Stadtdialekte und
Koinai sogar als Gegenmodell zum Toskanischen verteidigt werden. Sie führt zu einem
chronologischen Profil sowie einer strukturellen Charakteristik der genannten Varietätengruppe
aus der Sicht der Sprecher und legt Argumentationsstrategien bei der Bewertung von Varietäten
offen. Die Befunde verstehen sich als Beitrag zu einer erweiterten Konzeption von
Sprachgeschichtsschreibung und zur Rekonstruktion regionalsprachlicher Identitäten.