Für die Selbstbestimmung der Moderne ist kaum etwas konstitutiver als ihre Positionsbestimmung
gegenüber der 'Vormoderne'. Deshalb bietet Mittelalterrezeption nicht allein den Nachklang
mittelalterlicher Texte und Themen als Sekundärphänomen sondern einen zentralen Diskursraum
zur historischen Identitätsbildung von modernen Individuen und Kultursystemen. Im historischen
Durchgang durch fünf Jahrhunderte vom Humanismus bis zur Gegenwart und von Jörg Wickram bis zu
Dan Brown behandelt der Band Grundsatzfragen der Formen und Funktionen von
Mittelalterrezeption und entwickelt dabei ein spezifisches Konzept von 'Rezeptionskulturen':
Neben historischen Milieus wie Humanismus Romantik und Historismus werden dabei insbesondere
die synchronen Rezeptionskulturen von Kanon und Populärkultur nebeneinandergehalten. Ist es
doch auffällig dass das Mittelalter ausgerechnet Autoren von diskursiv entgegengesetzten Enden
des literarischen Feldes anzieht. Es bietet sich sowohl für Schriftsteller mit
Unterhaltungsabsichten an die Mysteriöses Esoterisches und Drastisches suchen wie auch für
Autoren die elitäre und gelehrte Konzepte durch Rückbezug auf ein klerikales und feudales
mithin lateinisch geprägtes Zeitalter zu füllen beabsichtigen.