Leonidas mit Amelie Paradini aus einer der reichsten Wiener Familien vermählt und Sektionschef
im österreichischen Unterrichtsministerium erhält im Oktober 1936 wenige Tage nach seinem
fünfzigsten Geburtstag einen privaten Brief in blaßblauer Frauenschrift. Darin bittet ihn die
Jüdin Vera Wormser mit der ihn vor achtzehn Jahren gleich zu Beginn seiner Ehe während einer
Dienstreise nach Heidelberg ein Liebesverhältnis verbunden hat um Protektion für einen jungen
begabten Mann. Dieser müsse Deutschland aus den allgemein bekannten Gründen verlassen und könne
seine Gymnasialstudien dort nicht fortsetzen. Für Leonidas einen der ranghöchsten Beamten
Österreichs dessen volle Souveränität Hitler-Deutschland im Juli-Abkommen 1936 nur formal
anerkannt hat bricht eine Welt zusammen. Axel Corti hat die Blaßblaue Frauenschrift 1983
historisch detailgetreu verfilmt. Matthias Pape (Technische Hochschule Aachen) zeigt in seinem
Kommentar daß die Psyche von Leonidas eine Parabel für die Historie des Jahres 1936 ist.
Werfel hat mit der Novelle die erin der Kolonie emigrierter deutscher und österreichischer
Schriftsteller im südfranzösischen Sanary-sur-Mer im Jahr 1940 verfasst hat die tieferen
Gründe für den Untergang des von Bundeskanzler Dollfuß errichteten Ständestaats im kulturellen
Gedächtnis Österreichs festschreiben wollen. Wilhelm Brauneder (Universität Wien) kommentiert
die literarische Widerspiegelung der verfassungsrechtlichen Gestalt des Christlichen
Ständestaats (1934-1938). Kein anderes dichterisches Kunstwerk hat dieses Verfassungsgebilde
sozialpsychologisch vergleichbar eingehend erfaßt wie Werfels knappe Novelle.