Die Studie widerlegt die Auffassung im Mittelalter könne es wegen des christlichen Weltbildes
keine Tragik geben. Sie bietet einen Überblick über die mittelalterliche Tragödienrezeption und
legt die geschichtsphilosophischen Prämissen der These vom untragischen Mittelalter offen.
Ausgehend von den Theorien von Aristoteles Seneca Boethius und Hegel wird eine Narratologie
des Tragischen entwickelt und auf die höfische Epik übertragen. Analysiert werden das
'Nibelungenlied' der 'Erec' 'Parzival' 'Willehalm'' der 'Eneasroman' 'Tristan' 'Engelhard'
und der 'Trojanerkrieg'. Bei der literarischen Gestaltung von Schuld Konflikt und Liebe zeigen
sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur antiken Poetik der Tragödie und zur modernen
Philosophie des Tragischen. Während die Inszenierung des Fehlverhaltens und die Konstellation
des Konflikts mit bekannten Tragödientheorien übereinstimmen wird mit der Widerspruchsstruktur
der Minne ein eigenes Paradigma tragischen Erzählens entworfen. Die Motivierungsformen des
Unglücks lassen also auf ein spezifisch höfisches Tragikkonzept schließen. Mittels eines
narratologischen Ansatzes und einer komparatistischen Analyse wird das Konzept des Tragischen
für die Mediävistik neu erschlossen.