Der Augenblick ist Ewigkeit. Goethes Satz formuliert den Anspruch und die Komplexität des
Begriffs Augenblick. Seine lange Tradition hat ein Bedeutungsspektrum hervorgebracht das so
Unterschiedliches bezeichnet wie Ekstase leere Gegenwart oder Epiphanie.Der Augenblick stellt
eine Kristallisationsfigur dar in der das Ganze auf dem Spiel steht: In der Gegenwart zu leben
verheißt die Möglichkeit eines glücklichen Lebens. Der göttliche Kairos muss wie die
sprichwörtliche Gelegenheit beim Schopfe gepackt werden. Ein Ereignis kann wie ein Blitz
einschlagen: Schöne Augenblicke ebenso wie traumatische Erlebnisse sind die Fixpunkte der
persönlichen Existenz. Der Moment der göttlichen Inspiration kann poetisches Schaffen
ermöglichen aber auch überfordern. Die unio mystica eröffnet dem Gläubigen die Erfahrung der
Präsenz Gottes und fordert die Sprache heraus das Unsagbare zu sagen. Der momento di
innamoramento der erhabene Augenblick aber auch der Schock sind eine Herausforderung des
Subjekts sich zu seiner Endlichkeit zu verhalten. Augenblicke darzustellen und zu reflektieren
hat die Dichtung immer schon fasziniert. Die Geschichte der europäischen Lyrik ist auch die des
lyrischen Augenblicks.Der Band untersucht die semantische Fülle des Begriffs Augenblick anhand
von paradigmatischen Beispielen aus der italienischen französischen spanischen
portugiesischen und brasilianischen Lyrik von ihren Anfängen bis zur Moderne.