Die Rolle der obersten Finanzbehörde des Dritten Reiches an der wirtschaftlichen Ausbeutung der
besetzten Länder während des Zweiten Weltkrieges wurde in der Forschung bislang oft unscharf
beschrieben. In der Vergangenheit war man vielmehr allzu häufig den Nachkriegsaussagen des
Ministers Schwerin von Krosigk und seiner früheren Mitarbeiter gefolgt wonach das
Reichsfinanzministerium kaum Einflussmöglichkeiten auf die Finanzpolitik außerhalb Deutschlands
besessen habe. Tatsächlich entspricht diese exkulpierende Behauptung lediglich in formaler
Hinsicht den Tatsachen vermochte das Ministerium doch sowohl auf der Ebene der obersten
Reichsressorts als auch über seine in sämtliche Besatzungsverwaltungen abgeordneten Beamten
einen gewichtigen faktischen Einfluss auf die Ausbeutungsmaßnahmen in den besetzten Ländern
auszuüben.Dies trifft vor allem auf die Aufbringung und Gegenfinanzierung der oft überhöhten
Besatzungslasten zu welche letztlich der deutschen Kriegskasse zugutekamen und Hitlers
Kriegführung überhaupt erst ermöglichten. Neben einer Kontrolle des Haushaltsgebarens in den
besetzten Ländern sorgten die Spezialisten des Ministeriums konkret dafür dass die
einheimischen Finanzbehörden die Steuersätze erheblich anhoben und neue Abgabenarten einführten
um zu einer Steigerung des Steueraufkommens zu gelangen. Im Nebeneffekt schloss dieses Vorgehen
häufig eine sukzessive Angleichung an das deutsche Fiskalsystem ein und zielte damit auf die
Errichtung eines europäischen Großwirtschaftsraumes unter deutscher Hegemonie ab.In einigen
besetzten Ländern vereinnahmten die Finanzbeamten darüber hinaus entsprechend der elften
Verordnung zum Reichsbürgergesetz das Vermögen und die Habseligkeiten von emigrierten oder
deportierten deutschen tschechischen oder polnischen Juden. Die Einstufung des
Reichsfinanzministeriums als eine reine Fachbehörde die an den nationalsozialistischen
Verbrechen nicht oder nur am Rande beteiligt war kann daher auch imHinblick auf das besetzte
Europa nicht länger aufrechterhalten werden.