Das Nachdenken über Formen der Erzählung hat eine lange Tradition doch in der
Selbstwahrnehmung der modernen Narratologie spielten diese theoriegeschichtlichen Wurzeln
bisher keine große Rolle. Die Arbeit widmet sich diesem vergessenen Teil der Theoriegeschichte.
Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen dabei die Romanstudien Otto Ludwigs die ein
herausragendes Zeugnis der begrifflichen Komplexität erzähltheoretischen Denkens vor 1900
darstellen. Auf Grundlage eines Überblicks über die theoriegeschichtliche Entwicklung seit dem
späten 18. Jahrhundert wird aufgezeigt worin das Innovative in Ludwigs Beschäftigung mit der
Erzählform zu sehen ist und inwiefern darin das allgemeine Literatur- und
Wirklichkeitsverständnis des Autors zum Ausdruck kommt. Theoretische Texte unter anderem von
Friedrich Spielhagen Berthold Auerbach und Theodor Fontane werden vergleichend herangezogen
um Ludwigs Auffassungen im poetologischen Diskurs des 19. Jahrhunderts zu verorten. Auf diese
Weise beleuchtet die Arbeit nicht nur ein weitgehend vergessenes Kapitel in der Geschichte der
Erzähltheorie sondern leistet auch einen Beitrag zur kritischen Neubewertung der Poetik des
literarischen Realismus.