Die freie Übersetzungspraxis hat während der Frühen Neuzeit und bis weit nach 1800 ein
umfangreiches Gattungsspektrum ausgebildet das systematisch und historisch unzureichend
erfasst ist. Ihre Beschreibung wird dadurch verkompliziert dass in der Goethezeit auf
Beobachtungs- (Theorie) und Beurteilungsebene (Kritik) die Übersetzung zunehmend dazu
verpflichtet wurde ein Original zu vertreten. Die klassisch-romantische Epoche hebt sich daher
von der frühneuzeitlichen nicht hauptsächlich durch eine erhöhte Übersetzungsfrequenz ab
sondern vor allem durch die Spannung zwischen dem alten bis in die Antike reichenden
Nachahmungsparadigma und der neuen sich gerade etablierenden Originalitätsemphase.Der
vorliegende Band geht von der Feststellung aus dass die interlinguale literarische Praxis der
Goethezeit noch im Bann frühneuzeitlicher Prinzipien steht. Ziel ist es von der historischen
Beschreibung repräsentativer Übersetzungsformen ausgehend - also induktiv und empirisch - eine
Theorie dieser praktischen Interlingualität zu entwerfen. Das Verbindende dieser Praxis ist ein
Begriff von translatorischer Kreativität der die Übertragung als ein Ausdrucksmedium versteht
das die Möglichkeit enthält durch die Vermittlung neuer Inhalte und Formen an der
literarischen Kommunikation teilzunehmen.