Genuserwerb ist Kongruenzerwerb. Erstmals wird der Erwerb des deutschen Genussystems dezidiert
aus diesem Blickwinkel betrachtet und der Frage nachgegangen wie die beiden zu
unterscheidenden Erwerbsaufgaben - Kongruenz- und Klassifikationserwerb - miteinander
interagieren. Auf der Basis einer funktionalen Beschreibung des Lerngegenstandes fokussiert
diese Untersuchungsperspektive welche Strategien L2-Lerner entwickeln um durch
Genusmarkierungen an Artikeln Adjektiven und Pronomen Referenzbezüge herzustellen. Außerdem
wird erörtert inwiefern das reference tracking' dadurch beeinflusst wird dass die o.g.
sprachlichen Einheiten morphosyntaktisch in unterschiedlichem Maß an das kongruenzauslösende
Nomen gebunden sind.Vor diesem Hintergrund wird ein funktionalistisch basiertes
Genuserwerbsmodell entwickelt dessen empirische Überprüfung durch Daten von insgesamt 195
Kindern erfolgt. Obwohl sich die L1 der L2-Lerner (Türkisch Russisch) typologisch
unterscheiden entwickeln sie - zwar zeitlich versetzt aber unabhängig von ihren L1 -
schrittweise die gleichen semantischen und formalen Strategien der Form-Funktions-Verknüpfung
wodurch der Genuserwerb als eine systematische Abfolge eines Sematisierungs- und
Grammatikalisierungsprozesses modelliert werden kann.