In der mittelalterlichen Bibelauslegung zeigt sich häufig eine strategisch eingesetzte
Ambiguierung wenn der Interpret neben dem Literalsinn' der auszulegenden Textstelle nach
einer weiteren geistlichen Lesart sucht. Mit einer geistlichen Interpretation die sich auf
christliche Lebensführung und Glaubensinhalte bezieht können die Bibeltexte für die
zeitgenössischen Zuhörer relevant gemacht werden. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf
einer theoretischen Beschreibung der Allegorese aus semiotischer Perspektive und einer
anschließenden Analyse ihrer konkreten Gestaltung in 63 Texten aus dem 12. und 13. Jahrhundert
die alle der Diskurstradition Predigt' zuzuordnen sind und in sechs romanischsprachigen
Homiliaren (Sermoni subalpini Homilies d'Organyà Homilies de Tortosa Sermons limousins
Sermons de carême wallons sowie den Sermons des Maurice de Sully) enthalten sind. Die
innovative Anwendung kognitiv-semantischer Methodik auf einen textlinguistischen Gegenstand
erweist sich als sehr fruchtbar da sie eine präzise Phänomenbeschreibung ermöglicht und
deutlich macht dass trotz der Auslegungsregeln und der hohen Konventionalität die die
Allegorese bestimmen Deutungsspielraum besteht.