Wie erinnern künftige Generationen an die Shoah wenn die letzten Zeitzeugen gestorben sind?
Die Comics der vergangenen Jahre geben Hinweise darauf: Während die Kinder noch versuchen
Anschluss an die nicht mehr selbst erlebte aber gleichwohl als einschneidend erfahrene
Vergangenheit ihrer Eltern herzustellen - und sich davon zu emanzipieren - beschäftigt sich
die Enkelgeneration primär mit der Tatsache dass sie die Shoah hauptsächlich medial oder aus
zweiter Hand erzählt bekommt. Um die Geschehnisse besser zu verstehen versuchen die jüngeren
Autorinnen und Autoren das Bezeugen der historischen Ereignisse selbst nachzuempfinden oder
versetzen die Handlung gleich gänzlich ins Jetzt - wo die Shoah vor allem als Spuren und
Spätfolgen zu ihnen vordringt. So holen sie Vergangenes eindringlich in die Gegenwart und üben
ihrerseits Kritik an Darstellungen die eher Distanz als Nähe zur Shoah erzeugen. In neueren
Comics wollen sie nicht mehr nur von einer vermeintlich fernen Vergangenheit erzählen sondern
deren Auswirkungen und Parallelen in der eigenen Lebenswelt verstehen. So besteht die Chance
die Shoah auch anderen zu vermitteln die keinen persönlichen Bezug zur Geschichte mehr haben
können - und damit dem Vergessen etwas entgegenzusetzen. Diese Arbeit ordnet die Comics in die
gegenwärtige Entwicklung ein liefert eine kurze Geschichte des Sujets Shoah-Comic und
entwickelt dazu eine Theorie des erinnernden Comics. Zusätzlich werden Werke von Autorinnen und
Autoren der Kinder- und Enkelgeneration untersucht und miteinander verglichen darunter Comics
von Michel Kichka Bernice Eisenstein Rutu Modan Barbara Yelin und Reinhard Kleist. Eine
Spurensuche danach wie die Nachkommen in Sprechblasen und Panels ihre Rolle im Gefüge der Zeit
finden und mit eigenem Wissen eigenen Deutungen und eigenen Fragen anreichern.