Zeithistorische Experteninterviews aus drei unterschiedlichen DDR-Forschungsprojekten werden in
diesem Band zusammengeführt. Diese Projekte der Jahre 1997 bis 2004 zum Zusammenhang von
Aktivistenbewegung und Geschichtspropaganda zur Entstehung und Ausformung einer
sozialistischen wissenschaftlichen Geschichtsdidaktik und zur geheimen
Geschichtsbewusstseinsforschung beim ZK der SED haben Archiv- und Interviewforschung
miteinander verbunden. Die Frage nach der Konstituierung einer spezifischen Praxis gibt allen
Interviews einen gemeinsamen Horizont. Wie wird man zum Propagandisten einer
Geschichtsideologie die gleichsam über Nacht wirksam gemacht werden soll und sich dabei in
Gegensatz zu bisherig und in engster Nachbarschaft dominierenden Geschichtsauffassungen setzt?
Welche Voraussetzungen und begünstigenden Strukturen lassen sich erkennen? Wie gewinnt man
kluge und kreative Menschen für diese Praxis und vermag deren Loyalität zu erhalten? Diese
Fragen führen nicht nur in immer wieder aktuelle Konfliktsituationen in vielen Weltgegenden in
denen strukturell Ähnliches geschieht. Sie erklären in einem einzelnen Aspekt auch das Phänomen
der zwar schwankenden aber bis zum plötzlichen Kollaps doch relativ stabilen Diktatur die
sich nicht hinreichend nur mit polizeilicher Gewalt oder sowjetischer Besatzungsmacht erklären
lässt.