Das Rote Wien war lange ein Kampfbegriff der auf die politischen Mehrheitsverhältnisse in
Österreich anspielte: eine sozialdemokratische Insel innerhalb einer konservativ regierten
Republik. In der internationalen Forschung ist daraus ein alternativer Epochenbegriff geworden
der die Jahre 1919-1934 bezeichnet und das Spannungsfeld zwischen den politischen Lagern aber
auch die Wissenschaft Kunst und Kultur dieser Zeit umfasst. Das Rote Wien steht für die Zweite
Wiener Moderne mit ihren Hoffnungen konkreten Utopien und Entwürfen einer neuen Gesellschaft.
Das Massenelend nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die Flüchtlingskrise nach dem
Zusammenbruch des Vielvölkerstaates die Finanz- und Wirtschaftskrise die prekären
Lebensverhältnisse und die Herausbildung einer neuen Konsum- und Freizeitkultur sind die
Rahmenbedingungen dieses gesellschaftspolitischen Experiments. Wie baut man eine Großstadt ohne
Slums und Ghettos wie gewährleistet man Gesundheitsversorgung für alle wie schafft man ein
sozial durchlässiges Bildungssystem: heutige Fragen als ferne Echos aus einer Zeit in der
politischer Gestaltungswille und Aufklärung eine zerbrechliche Allianz eingingen.