Die Nordseeinsel Langeoog als Brennpunkt deutscher Geschichte: Jörg Echternkamp
historisiert erstmals umfassend einen Naturraum am Rande Deutschlands der sich seit den 1880er
Jahren zu einem Drehkreuz historischen Wandels entwickelt hat. Die methodisch reflektierte
Untersuchung greift Impulse der modernen Raumgeschichte auf und fragt nach den wechselnden
Bedeutungen die "Langeoog" von den Einheimischen wie den Besuchern zugeschrieben wurden. Um
deutsche Geschichte zu dezentralisieren verschränkt Echternkamp analytisch und narrativ die
Geschichte der Insel und ihrer Menschen mit der Geschichte Nordwestdeutschlands sowie der
National- und Globalgeschichte. So verdeutlicht er die Dynamik der Verflechtung: durch
politische religiöse und kulturelle Einflüsse durch administrative wirtschaftliche und
militärische Verbindungen und nicht zuletzt durch Zu- und Abwanderung oder zeitweise
Aufenthalte. Diese erste histoire totale einer deutschen Insel liefert aufschlussreiche
Beiträge zur Tourismus- und Umweltgeschichte zur NS- und Antisemitismusforschung zur Militär-
Sozial- und Kulturgeschichte. Nicht zuletzt erweitert sie den touristischen Blick um die
Einsicht in die Historizität eines "Naturparadieses". Band 1 der mikrogeschichtlichen
Langzeitstudie veranschaulicht die Entwicklung der Insel von der "Entdeckung des Strandes" im
18. 19. Jahrhundert bis zu einem protestantisch geprägten Seebad "von deutscher Einfachheit" in
den 1920er Jahren. Echternkamp untersucht Formen bürgerlicher Vergesellschaftung in Vereinen
Festen und öffentlichen Veranstaltungen den Ausbau des touristischen Angebots und die visuelle
Selbstdarstellung der Gemeinde ebenso wie die räumliche Mobilität die Erfahrungen des Ersten
Weltkriegs und den tief sitzenden Bäder-Antisemitismus. Band 2 der mikrogeschichtlichen
Langzeitstudie beleuchtet Langeoog als Insel der "Volksgemeinschaft". Er legt die
nationalsozialistische Durchdringung und die Transformation des Tourismus in den 1930er Jahren
offen. Echternkamp nimmt die Ortsgruppe der NSDAP die Ausbreitung der NS-Volkswohlfahrt und
die Zeltlager der Hitlerjugend genauso in den Blick wie die Inselschule und längst vergessene
Denkmäler. Die innovative Spurensuche im insularen Raum verdeutlicht zugleich die völkische
Ausgrenzung durch Zwangssterilisation und antisemitischen Terror. Zudem zeigt sie den
tiefgreifenden Wandel der Landschaft durch den Ausbau zu einer Garnison der Wehrmacht.