Die Bediensteten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Bayern die "Hüter der
Volksgesundheit" lernten nach 1945 Demokratie und zwar im informellen Alltag: im
Innenministerium an Gesundheitsämtern oder in Krankenhäusern beim Verfassen von
Gesetzesentwürfen ebenso wie beim Röntgen. Manches erlernten sie manches lernten sie erneut
manches verlernten sie. Es ging um die Würde des Menschen um Gewalt und Eugenik um die
Gleichstellung von Mann und Frau um Grundrechte und Bindung an geltendes Recht. Sophie
Friedl erzählt das Ineinandergreifen von illiberalen Traditionen und demokratischen Impulsen
von Ungleichzeitigkeit Eigendynamik und Ambivalenz als eine Geschichte des Lernens. Lernen ist
hier weder beschönigende Metapher noch Vorwegnahme einer vermeintlichen Erfolgsgeschichte der
bundesrepublikanischen Demokratie sondern analytische Innovation. Mit ihrem offenen
prozessualen nicht-linearen Lernbegriff bricht die Autorin die versteinerte Gegenüberstellung
von Kontinuitäten und Diskontinuitäten auf sie klärt das scheinbare Paradox zwischen
opportunistischer Anpassung und tiefgehender Umorientierung und dekonstruiert manchen Mythos -
wie den des rechtspositivistischen Beamtentums.