Zeit gilt heute als der wahre Luxus. Zumindest legt ein Blick in Magazine Ratgeberliteratur
und Umfrageergebnisse nahe dass diese Gleichsetzung zu einem Topos der Gegenwart geworden ist.
Luxus verstanden als höchst relative und stets neu auszuhandelnde Kategorie von Überfluss und
Überschuss lässt sich demnach nicht nur auf ein materielles sondern auch ein zeitliches Maß
bzw. Übermaß beziehen. Die Beiträge des interdisziplinär ausgerichteten Bandes mit
literaturwissenschaftlichem Schwerpunkt nehmen diese vielschichtige Korrelation unter den
modernen Bedingungen einer markant erhöhten Ambivalenz des Luxus seit seiner ökonomischen und
anthropologischen Aufwertung im 18. Jahrhundert in den Blick. Die Allianz von Zeit und Luxus
ist höchst zweischneidig. 'Zeit ist Geld' - die Gleichung die Franklin 1748 prominent
formuliert hat impliziert die Umrechenbarkeit von zeitlichem in materiellen Aufwand und wendet
sich gegen Zeitverschwendung analog zu Geldvergeudung. Unter umgekehrten Vorzeichen kann die
zeitliche Verausgabung als (vor-)gelebter Luxus indes zum Statussymbol werden worauf
beispielsweise Thorstein Veblens Begriff der conspicuous leisure der ostentativen Freizeit
rekurriert. Wird Literatur - positiv oder negativ - mit Luxus verbunden so besonders gerne
über die temporale Dimension ihrer Produktion wie Rezeption. Dies zeigt sich etwa in der
'Lesesucht'-Debatte um 1800 wenn der extensive Konsum von Romanen als »Leseluxus« bezeichnet
wird. Textimmanent beteiligt sich Literatur sowohl auf der Ebene der Sujets - z.B. mit
Inszenierungen von 'Auszeiten' wie Langeweile und Muße oder mit zeitökonomisch dubiosen Figuren
von Flaneuren Müßiggängern und Nichtsnutzen - als auch auf der Verfahrensebene (mit
'luxurierendem Erzählen' im Sinne schwelgerischen Schilderns unter rhetorischer Ausschweifung
und exzessivem Verbrauch von Erzählzeit etc.) an der Verhandlung von Zeit-Luxus. Der Sammelband
beleuchtet die facettenreiche Beziehung von Luxus und Zeit die vor dem Hintergrund zunehmender
Kulturkritik aus ökologischer ebenso wie anthropologischer Perspektive aktuell an Bedeutung
gewinnt.