Migrationen gehören zu den beliebtesten Motiven sowohl fiktionaler als auch nicht-fiktionaler
Erzählungen wie der Geschichtsschreibung. Dabei interessiert sich die Historiographie vor allem
für Völkerwanderungen - Bewegungen ganzer Kollektive durch Raum und Zeit die insbesondere in
den altertumswissenschaftlichen Zweigen eine zentrale Rolle bei der Erklärung von sozialem
Wandel spielen. Anhand historiographischer Repräsentationen von Völkerwanderungen im Alten
Orient aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert zeigt Felix Wiedemann nicht nur wie sich der
zeitgenössische Kolonialismus Rassismus und Antisemitismus in der Migrationshistoriographie
niederschlugen. Im Rückgriff auf narratologische Ansätze wird darüber hinaus deutlich dass
historiographische Texte tradierten Mustern und Plots folgen die bereits die Wahrnehmung von
Migration prägen. Das gilt auch für unseren heutigen Gebrauch der Sprache und Texte über
Wanderungsbewegungen. Insofern wirft die Studie auch einen kritischen Blick auf die Genealogie
gegenwärtiger Migrationsdebatten.