Nach vorherrschendem Verständnis ist Ethik philosophische Reflexion auf Moral. Als normative
Ethik beansprucht sie moralische Fragen mit philosophischen Argumenten beantworten zu können.
Darin liegt eine Diskrepanz zwischen dem Gegenstand und der Art der ethischen Reflexion an der
sich immer wieder Kritik entzündet hat. In diesem Essay geht Johannes Fischer der Frage nach
wie es zu dieser Auffassung von Ethik kommen konnte. Dazu untersucht er den Zusammenhang
zwischen Aufklärung und Ethik. Aufklärung besteht in der Überwindung der präsenzorientierten
Wirklichkeitsauffassung in Mythos und Religion dadurch dass der Standpunkt des urteilenden
Denkens eingenommen wird. Das Leben vollzieht sich auch für den aufgeklärten Menschen unter den
kontingenten Bedingungen von erlebter Wirklichkeitspräsenz. Ethik so die These ist der
Versuch im urteilenden Denken Orientierung zu gewinnen für das Leben innerhalb von
Wirklichkeitspräsenz. Dies verdeutlicht der Autor einerseits für die antike Tugendethik und
andererseits für die moderne Ethik. Letztere ist aus Bedingungen hervorgegangen die auf das
Judentum und Christentum zurückgehen. Wie der Autor zeigt erhält sich in der Moral der Moderne
die Präsenzorientierung der jüdisch-christlichen Religion in säkularisierter Gestalt. Die
erwähnte Diskrepanz ist so begriffen die Diskrepanz zwischen der Präsenzorientierung der Moral
und dem urteilenden Denken der Philosophie. Die Zukunft der Ethik liegt in der Überwindung
dieser Diskrepanz das heißt im Verzicht darauf moralische Fragen im urteilenden Denken
beantworten zu wollen. Die Alternative besteht in einer Ethik die die Gründe des Handelns im
Präsenzzusammenhang der Lebenswelt aufsucht.