"Das Völkerrecht geht unter allen Umständen dem Bundesrecht und auch dem Bundesverfassungsrecht
vor". Mit diesem Satz des späteren Außenministers Heinrich von Brentano nahm der
Parlamentarische Rat die bis heute gültige Fassung von Artikel 25 GG einstimmig an. Noch in der
ersten Hälfte der 1950er Jahre stieß der Vorrang des Völkerrechts auf breite Zustimmung. Heute
weist die Verfassungsauslegung den allgemeinen Regeln des Völkerrechts nur noch einen
'Zwischenrang' zu: Sie stehen über dem einfachen Recht aber unter dem Verfassungsrecht. Wie
lässt sich die radikale Offenheit des Grundgesetzes gegenüber dem Völkerrecht im Moment der
Verfassungsgebung erklären? Warum war sie nicht von Dauer? Diesen Fragen geht Laila Schestag in
ihrer ideengeschichtlichen Studie nach. Entlang der Genese zentraler verfassungsrechtlicher
Begriffe wie 'Völkerrechtsfreundlichkeit' und 'offene Staatlichkeit' zeigt sie wie Deutungs-
und Bedeutungswandel von Artikel 25 GG den politischen Selbstfindungsprozess der frühen
Bundesrepublik spiegeln.