Der Sohn ein Literat von Weltrang der Vater ein einfacher Kaufmann. Der Sohn ein Zweifler von
schwacher Gesundheit der Vater strotzend vor Kraft und Selbstbewusstsein. 1919 schreibt Franz
Kafka seinem Vater Hermann einen Brief der den Empfänger nie erreicht. Er ist Verteidigungs-
und Anklageschrift in einem. Auf hundert Seiten (Kafka selbst sprach von einem »Riesenbrief«)
zeichnet der Sohn das Bild eines übermächtigen Vaters eines Tyrannen der den unglücklichen
Versicherungsangestellten Franz der nur nachts die Zeit zum Schreiben findet sein Lebtag
unterdrückt. Ein Vorwurf folgt dem nächsten der Vater tritt dem Leser als Monstrum entgegen.
Auf den letzten Seiten aber schlüpft der Ankläger in die Rolle des Angeklagten und übernimmt
die Verteidigung ... Kafkas Brief an den Vater ist viel mehr als ein biographisches Zeugnis
versammelt er doch die großen Themen seines Werks. In dieser Ausgabe kann der Brief in Kafkas
Handschrift (und in einer seitenidentischen Transkription) bewundert und gelesen werden. Als
das Manuskript 1984 entdeckt wurde wurde es als Sensation gefeiert. Auch aus ästhetischen
Gründen denn die Schönheit der Schrift Kafkas ist beeindruckend.