Seit über tausend Jahren wird in den Rathäusern der rechtliche und materielle Rahmen unseres
Lebens in den Städten bestimmt. Selbst in die intimsten Bereiche reichen manche Entscheidungen
des Rates. Die Autoren schildern mit welchen Vorstellungen die Ratsherren herrschten und wie
sich ihre Politik im Laufe der Jahrhunderte wandelte. Noch unsere Großeltern lebten im
Kaiserreich und mussten in den wilhelminischen Rathäusern erleben was es bedeutete Untertan
zu sein.Nach der Kaiserzeit sollte das alles anders werden. Tatsächlich allerdings hat es
Jahrzehnte gedauert bis frische Luft in die Rathäuser einzog und sich die Bürger befreit von
trennenden Tresen der Verwaltung nähern konnte. Neue Rathausbauten sollten nüchtern und
manchmal futuristisch so etwas wie Nicht-Herrschaft demonstrieren. Dieser Welt begegnet der
Leser im euphoristischen Marl und im modernen Hamburg. Die Autoren haben diesen Wandel
insbesondere in den 1970er-Jahren bewusst miterlebt und mitgestaltet.Trotzdem: Unproblematisch
ist auch die neue Rollengestaltung nicht immer. So hat gerade die junge Generation heute immer
häufiger den Eindruck dass die da oben machen was sie wollen. Was unterscheidet die heutigen
Demokraten von den Honoratioren von gestern und den Patriziern von vorgestern? Das Gemeinwohl
führ(t)en sie alle im Munde. Häufig aber handelten sie mit Scheuklappenblick für die Interessen
ihrer Gruppen. Das taten die Patrizier bewusst so deutlich dass sich erfolgreiche Bürger gegen
sie auflehnten und im Laufe der Geschichte deshalb immer wieder Blut floss. Die Honoratioren
dagegen glaubten ehrlich und redlich Vertreter des Volkes zu sein und waren sogar stolz
darauf. Aber sie vergaßen dass sie nur eine Minderheit repräsentierten und deshalb auch nur
deren Welt kannten. Mit ihrem Scheuklappenblick ignorierten sie mit weitreichenden Folgen die
Probleme der übrigen Einwohner. Und die Demokraten in den Rathäusern? Sind sie davor gefeit?