Der Verfasser sieht in der Konkurrenz von grammatischen Normen den wichtigsten Impuls für
Sprachwandel. Solche Konkurrenzen sind auf allen grammatischen Ebenen festzustellen und
verursachen immer wieder Unsicherheiten im Sprachgebrauch. Sie sind wohl schon für die ältesten
Stufen des Indoeuropäischen (alias Indogermanischen) anzunehmen und sind auch für die Erklärung
aktueller Phänomene auf die geographische und soziale Differenzierung der verschiedenen
Sprechergemeinschaften zurückzuführen. Sie entstehen grundsätzlich im mündlichen Sprachgebrauch
der in der Geschichte jeder Sprache schriftlichen Fixierungen sehr lange Zeit oftmals
Jahrhunderte und sogar Jahrtausende voraufgeht. Darum ist die (mangels mündlicher Belege
verständliche) Beschränkung der Forschung auf Schriftzeugnisse kaum in der Lage die realen
Verläufe von Sprachwandel angemessen zu rekonstruieren. Es entsteht dabei der falsche Eindruck
dass sich die Sprache wie eine Naturkraft von selbst entwickelt. Der Versuch dem Sprachwandel
mit nur-linguistischen Mitteln beizukommen kann seiner Komplexität kaum gerecht werden. Im
Mittelpunkt der kritischen Betrachtung steht hier mit zahlreichen historischen und aktuellen
Belegen das Deutsche. Die vielfachen Seitenblicke auf entsprechende Verhältnisse in anderen
indoeuropäischen Folgesprachen (u.a. im Englischen Französischen Polnischen) sollen dazu
dienen die Spezifik der deutschen Situation noch schärfer herauszuarbeiten.