Es im Leben weit gebracht zu haben verdankt Vinck seinem einzigen Talent dem Umgang mit dem
Zeichenstift seiner Widerständigkeit und dem Willen nicht aufzugeben. Kost und Logis. Mehr
hatte der junge Hans Finkelstein wie der Bub damals noch hieß von seiner Familie nicht zu
erwarten. Schicksalbestimmend wird allerdings dass ihn die Eltern - quasi als Maturageschenk -
zu einem Empfang in der französischen Botschaft mitnehmen. Es kommt zu einer Begegnung mit
einer Frau die um einiges älter ist als er. Eine gemeinsame Nacht und der folgende Tag reichen
aus: Es gibt keine Zukunft für ihn ohne sie. Nur dass Corinne noch am selben Abend nach Paris
zurückkehrt. Für sie war Hans ein Abenteuer mit einem zweifellos besonderen Jungen aber eben
doch nur ein Abenteuer. Ihr Mann lässt sie den jungen Liebhaber beim Abschiedskuss wissen
wird in Orly am Flugsteig auf sie warten. Das hält Hans nicht ab alsbald den Koffer zu packen
um mit nichts als Furchtlosigkeit und einem väterlichen Taschengeld sein Glück zu versuchen und
vielleicht diese einzigartige Frau wiederzufinden. Er setzt darauf dass sie ihm in Paris
zufällig über den Weg laufen wird. Vielleicht hilft ja magisches Denken ... Zunächst findet er
hier alle Möglichkeiten sein Talent mit seiner Obsession zu verbinden die Welt zu verschönern
um aus dem was wir als Nicht-Tiere vordringlich brauchen das wärmende Mäntelchen mehr zu
machen - die radikale Selbsterfindung. Er wird Modeschöpfer. Die Begegnung des Sechzigjährigen
mit Tod lässt Zweifel aufkommen. Er beginnt sich auf die Suche nach dem Eigentlichen dem
Wahren Authentischen zu machen. Aber gibt's das?Er reift zum jungen Mann andere Menschen
treten in den Vordergrund. Eine Liebelei mit einem Model macht's möglich: Er gelangt an eine
Einladung zu einer Modenschau von Cardin. In ihm explodiert es. Modemachen ja das ist es. Und
da er ein Hans im Glück ist nebenbei noch begabt und nicht faul kann er bald am Haus eines
berühmten Couturiers in der Schneiderei beginnen. Seine Zeichenmappe landet irgendwann auf den
richtigen Tischen. Man wird auf ihn aufmerksam - der junge Mann aus Wien - und schon darf er
seine erste Schau machen. Er verliebt sich heiratet wird Vater einer Tochter. Das Nächste ist
eine eigene Modefirma. Dafür braucht es einen attraktiven Namen. Das Label wird Vinck.
Jean-Marie Vinck sein. Eine Möglichkeit den Finkelstein loszuwerden. Eines Tages steht die
Frau vor ihm deretwegen er einst nach Paris aufgebrochen war. Alles gerät ins Wanken. Der
rekonvaleszente Vinck vom Anfang des Romans hat sich kaum in seiner Berliner Villa wieder
eingelebt als er von der Idee heimgesucht wird den Hebel noch einmal umzulegen. Irgendwo muss
das Wahre das Eigentliche Authentische in ihm schlummern und nur darauf warten geweckt zu
werden. Es geht auch um Tikkun Olam wie er von seinen jüdischen Wurzeln her weiß. Das bedeutet
die Welt seine Welt in Ordnung bringen. Ihm fallen der Bruder die Tochter aus erster Ehe
sein irgendwo in Frankreich in einer Einrichtung für Behinderte untergebrachter Enkel ein
Menschen die aus seinem Leben gefallen sind. Er will sie aufsuchen vielleicht mit ihnen leben
will reparieren. Für diese letzte Unternehmung opfert er Familie Freunde Firma und
Geschäftspartner. Am Ende hat sich nicht viel und niemand geändert. Alle bleiben die die sie
sind. Auch der Protagonist. Tikkun Olam passiert wenn dann das ganze Leben über mal mehr
mal nie. Das ist das was bleibt. Und Jean-Marie Vincks Vision dass das Außergewöhnliche das
Gewöhnliche sticht das Individuelle das Allgemeine Vivienne Westwood C&A. Vita Est Ludus
hatte er seine erste Schau nennen wollen. Man bleibt zwar die- oder derselbe auch in einem
Kostüm von Balmain oder in einem Anzug von Armani. Nur fühlt man sich besser.