Fülle und Farbigkeit forderte Anna Seghers von der Literatur und gerade in dieser Zeit ihres
Exils entwickelte sie eine beeindruckende erzählerische Vielfalt. Außer den Romanen Der
Kopflohn Der Weg durch den Februar Die Rettung Das siebte Kreuz und Transit entstanden
zahlreiche Erzählungen und Kurzprosa. Viele dieser Texte veröffentlichte sie in Zeitschriften
der Emigranten in Moskau Prag und Mexiko. Es ist heute nicht mehr belegbar wie sie zu den
Stoffen und den oft bemerkenswerten Detailkenntnissen kam. Vieles wird ihr berichtet worden
sein z. B. von Spanienkämpfern (Wiedersehn) oder von französischen Bekannten (Das Obdach).
Erstaunlich bleibt ihre Fähigkeit sich in ihr fremde Charaktere und deren soziales Umfeld zu
versetzen. So ist die Erzählung Ein Mensch wird Nazi die sie 1943 in Mexiko weitab von den
beschriebenen Vorgängen verfasste eine genaue psychologische Studie über die Anfälligkeit
junger Menschen für die NS-Propaganda. Auch die GeschichteDie Unschuldigen im Frühjahr 1945 in
Mexiko entstanden beweist genaue Kenntnis der Strukturen des NS-Systems. Wie hier die Satire
ist in der Geschichte Reise ins Elfte Reich die Ironie eine für Seghers eher ungewöhnliche
Gestaltungsart. Sie gehört ebenso zu ihrem epischen Spektrum wie die hintergründigen Sagen und
Legenden oder jene eindrucksvollen Erzählungen mit denen Seghers auf ihr persönliches Trauma
des Holocaust reagierte: Der Ausflug der toten Mädchen und Post ins Gelobte Land.
Texterläuterungen und Kommentar vermitteln den Zugang zu biographischen und zeitgeschichtlichen
Zusammenhängen.