WARUM ES DEN THESENANSCHLAG ZU WITTENBERG NICHT GAB - UND ANDERE ÜBERRASCHUNGEN Die Reformation
gilt als Zäsur mit der das Mittelalter endet. Volker Leppin zeigt demgegenüber dass der junge
Luther einer von vielen mystischen Schriftstellern war und führt uns eine Reformation vor
Augen die viel mittelalterlicher und fremder ist als es die Meistererzählungen von diesem
Umbruch wahrhaben wollen. Der Thesenanschlag zu Wittenberg die Urszene der
Reformationsgeschichte hat nicht stattgefunden. Vielmehr hat Luther an diesem Tag ein
Disputationszettelchen verschickt so wie es akademischer Brauch war. Diese und viele andere
überraschende Erkenntnisse lassen sich gewinnen wenn man Luther konsequent in seinem
spätmittelalterlichen Umfeld betrachtet. Rechtfertigungslehre und Priestertum aller Gläubigen
Predigtgottesdienst Papstkritik und landesherrliches Kirchenregiment - all dies war
selbstverständlicher Teil des spätmittelalterlichen Spektrums an Positionen und Protesten. Neu
war allerdings die Art wie Luther diese Elemente miteinander verband und von unterschiedlichen
Interessengruppen zum Vordenker erhoben wurde. Erst diese Gemengelage führte zur Zuspitzung des
Konflikts mit Rom. Vergessen und verdrängt wurden dabei Luthers mystische Wurzeln. Volker
Leppin ruft sie anschaulich in Erinnerung und gibt Luther den spätmittelalterlichen Kontext
zurück der ihm von Protestanten wie Katholiken seit Jahrhunderten vorenthalten wird.