Religiöse Traditionen sind von einer höchst erstaunlichen Stabilität. Mündliche und
schriftliche Überlieferungen können trotz vielfacher gesellschaftlicher Umbrüche über
Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende nahezu unverändert bewahrt werden. Der Begriff des
kulturellen Gedächtnisses ist ein Schlüssel zur Erklärung dieser Dauerhaftigkeit. Ohne
kulturelles Gedächtnis wären individuelle und kollektive Identität nicht vorstellbar.Der
Ägyptologe Jan Assmann geht in zehn brillanten Einzelstudien dem Zusammenhang zwischen Religion
und Gedächtnis nach. Die Untersuchungen zu Symbolen und Riten mündlicher Überlieferung und
Kanonbildung beschränken sich nicht auf das Alte Ägypten sondern beziehen die Geschichte des
Judentums und die gesamte Gedächtnisgeschichte des Abendlandes mit ein. Als Teil dieser
Geschichte und zugleich herausragende Beiträge zur Theorie des kulturellen Gedächtnisses werden
Sigmund Freuds Moses-Buch und Thomas Manns Josephs-Roman gewürdigt.