DIE STUNDE NULL FAND NICHT STATT - BENJAMIN LAHUSENS GLÄNZENDE DARSTELLUNG DER DEUTSCHEN JUSTIZ
VOR UND NACH 1945 Kaum beirrt von Bombenkrieg Kapitulation und alliierter Besatzung liefen
Gerichtsverfahren vor und nach 1945 einfach weiter mit denselben Akteuren nach den gleichen
Regeln. Der Rechtshistoriker Benjamin Lahusen deckt in seiner fulminanten Studie unheimliche
Kontinuitäten der deutschen Justiz auf und zeichnet so das eindringliche Bild einer
Gesellschaft die den großen Einschnitt so klein wie möglich hielt. Stuttgart im September
1944: Das Justizgebäude wird durch neun Sprengbomben und zahlreiche Brandbomben weitgehend
zerstört doch stolz meldet der Generalstaatsanwalt dass bereits am nächsten Morgen «noch in
den Rauchschwaden... eine Reihe von Strafverhandlungen durchgeführt» wurden. Auch andernorts
wird der Dienstbetrieb in teils noch brennenden Gebäuden aufrechterhalten später selbst unter
Artilleriebeschuss. Benjamin Lahusen hat sich die Akten zahlreicher Gerichte - darunter des
Amtsgerichts Auschwitz - aus den Jahren vor und nach 1945 angesehen und beschreibt höchst
anschaulich wie weder «Endkampf» noch staatlicher Zusammenbruch den juristischen Dienstbetrieb
unterbrechen konnten. Er erklärt warum ein Stillstand der Rechtspflege unter allen Umständen
vermieden werden sollte und zeigt wie nach dem Krieg altgediente Juristen pflichtbewusst das
alltägliche Recht des Dritten Reichs so weiterführten als wäre nichts passiert. Wenn es noch
eines Beweises dafür bedarf dass es 1945 keine «Stunde Null» gab dann liegt er mit diesem
glänzend geschriebenen Buch vor. Überraschend: Neue Erkenntnisse zur deutschen Justiz vor und
nach 1945 Fundiert: Auf der Grundlage bisher vernachlässigter Gerichtsakten - auch aus dem
Amtsgericht Auschwitz Kurzweilig: Der Autor versteht es meisterhaft die Quellen zum Sprechen
zu bringen