Der Prager Frühling hatte ein Zeit-Problem: Alexander Dubcek und die führenden Politiker in
seinem Kreis agierten vom Januar 1968 bis zur Invasion im August unter stetig wachsendem
Zeit-Stress. Zugleich war das Reformprogramm des Prager Frühlings von ganz unterschiedlichen
Zeitordnungen geprägt seine wichtigsten Akteure aus Politik Wissenschaft und Kultur lebten
gewissermaßen in Parallelwelten: So ging es dem Kreis um den Philosophen und Soziologen Radovan
Richta um eine humanistische Erneuerung der kommunistischen Ideologie während die
Wirtschaftsreformer um den Ökonomen Ota Sik danach strebten den Entwicklungsrückstands
gegenüber dem Westen einzuholen. Im Bereich der Rechtsreformen stand die Aufarbeitung der
Vergangenheit vor allem der stalinistischen Schauprozesse der fünfziger Jahre im Vordergrund
um daraus Lektionen für die Zukunft zu ziehen. Aus diesen verschiedenen und zum Teil
widersprüchlichen Ansätzen bezog der Prager Frühling sein Programm. Der Prager Frühling oder
die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen