Die 1830er Jahre gelten als vorläufiger Höhepunkt der politischen Öffentlichkeit in
Deutschland. Im Gefolge der Julirevolution von 1830 und im Umfeld des Harnbacher Festes feierte
die frühliberale Bewegung ihre ersten spektakulären Erfolge die konstitutionellen Landtage
avancierten zur parlamentarischen »Vorschule« der Frankfurter Paulskirche. Nach dem Epochenjahr
1830 begann nicht ein politisches »Biedermeier« sondern der »Vor-März« die Vorgeschichte der
Revolution von 1848 49. Die vorliegende Untersuchung beruht auf der Auswertung von bisher
weitgehend unbekannten Akten und Briefen aus über vierzig Archiven und Bibliotheken. Sie
behandelt die Parlaments- und Verfassungsgeschichte eines Mittelstaates des Deutschen Bundes:
des Kurfürstentums Hessen. Nach sozialrevolutionären Unruhen erlangte das nordhessische
Territorium im Januar 1831 die damals fortschrittlichste Verfassung des Vormärz. Auf dieser
staatsrechtlichen Grundlage entwickelten sich seit 1832 33 Auseinandersetzungen zwischen
konservativer Regierung und liberalem Landtag die in einen »permanenten Verfassungskonflikt«
(Nipperdey) mündeten. Die wiederholten Ministeranklageverfahren gegen den Regierungschef Ludwig
Hassenpflug erregten in ganz Deutschland Aufmerksamkeit. Die Studie analysiert die
Verfassungsentstehung 1830 31 und den politischen Entscheidungsprozeß zwischen Regent
Regierung und Landtag in der ersten Ministerzeit Hassenpflugs (1832 - 1837). Den zweiten
Schwerpunkt bildet die Darstellung der parlamentarischen Frühzeit in der sich bereits
deutliche Ansätze einer politischen Fraktionierung im Landtag zeigten. Die Gesetzgebung an der
Regierung und Landtag gleichermaßen mitwirkten stand im Zeichen konservativer Modernisierung.
Die Kontroverse um den Konstitutionalismus als Staatsform welche die Verfassungshistoriker
seit den sechziger Jahren beschäftigt wird an dem neben Preußen bekanntesten Beispiel dem
kurhessischen Verfassungskonflikt überprüft. Die detaillierte Analyse des politischen
Geschehens der 1830er Jahre im Kurfürstentum Hessen zeigt die im konstitutionellen System
bereits angelegten im 19. Jahrhundert jedoch nicht zum Durchbruch kommenden
Wandlungstendenzen. Die Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem Wilhelm-Liebknecht-Preis 1995 der
Universitätsstadt Gießen.