Angesichts äußerer Bedrohungen bildete sich bereits in der Antike so etwas wie ein europäisches
Eigenbewußtsein heraus doch läßt sich erst im 15. Jh. nicht zuletzt vor dem Hintergrund des
Humanismus und der Rezeption griechisch-römischen Gedankengutes das Vorhandensein eines
gleichsam modernen Europa-Begriffes ausmachen. Es stellt sich darüber hinaus jedoch die Frage
inwiefern im späten Mittelalter auch die osmanische Expansion als eine tief empfundene Gefahr
zur Ausprägung eines - modernen - europäischen Selbstverständnisses vornehmlich durch die
Abgrenzung von dem Fremden und die Besinnung auf das Eigene beigetragen hat. Die vorliegenden
von Franz-Reiner Erkens herausgegebenen und eingeleiteten zum Teil auf eine einschlägige
Sektion des Hannoveraner Historikertages von 1992 zurückgehenden Beiträge nähern sich der
Beantwortung dieser Frage von unterschiedlichen Blickwinkeln: Während Claudius Sieber-Lehmann
herausstellt daß in der zeitgenössischen Historiographie antiosmanische Feindbilder auf den
nicht zuletzt wegen seiner Grausamkeit gefürchteten burgundischen Herzog Karl den Kühnen (+
1447) übertragen wurden und somit Rückschlüsse auf die innere Verfassung insbesondere des
Südwestens des Reiches möglich sind analysiert Dieter Mertens die zum literarischen Genus der
Turcica und vornehmlich zu antitürkischem Engagement aufrufenden Türkenreden die besonders
Nikolaus Reusner (+ 1602) sammelte und zusammenstellte. Den Fall von Konstantinopel 1453 nimmt
Matthias Thumser zum Anlaß um anhand ausgwählter zeitgenössischer Quellen deutlich zu machen
daß das Ende des Byzantinischen Reiches in Europa nicht nur als Fanal empfunden wurde und die
Bedrohung durch die Türken ins allgemeine Bewußtsein rückte sondern daß die Osmanen und ihre
Eroberungspolitik jenseits pauschaler Feindbilder durchaus differenziert betrachtet wurden ja
das Türkenbild zwischen nüchterner Abwägung Verständnis und auch Bewunderung schwankte. Gert
Melville handelt über westliche Augenzeugenberichte des 15. Jhs. von den Osmanen und hebt
hervor wie insbesondere deren Fremdartigkeit sowohl beschrieben als auch empfunden und
verarbeitet und mit der eigenen europäischen Identität kontrastiert wurde. Unter eher
quellenkundlichem Aspekt fragt schließlich Thomas Vogtherr inwieweit sich angesichts einer
zunehmenden Regionalisierung der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung die Bedrohung durch
die Türken in der norddeutschen Stadtchronistik widerspiegelt.